In den vergangenen fünf Jahren habe ich als PR-Beraterin gearbeitet. Indem ich den Massen über die Medien Geschichten für viele unterschiedliche Lifestyle-Marken erzählt habe, wurde ich zu einer wahren Storytellerin. Über Jahrhunderte haben Menschen durch das Erzählen von Geschichten Verbindungen aufgebaut – das hat mich schon immer interessiert. Heute erzählen wir Geschichten in Zoom-Meetings bei der Arbeit oder unseren Kindern, bevor sie ins Bett gehen. Und v. Co. (vor Corona) erzählten wir Geschichten während gemütlicher Dinnerpartys.
Aber wie kommt es, dass manche Menschen ihre Zuhörer mit ihren Geschichten fesseln können, während es anderen nicht gelingt, die Aufmerksamkeit ihrer Zuhörer zu behalten? Man kann einfach nur Geschichten erzählen oder man praktiziert Storytelling, das dabei helfen kann, eine Verbindung zu den Menschen in Ihrem Leben aufzubauen. Und da wir uns derzeit vielleicht ein wenig abgeschnitten von denen fühlen, die wir lieben, kann diese Anleitung zum Storytelling vielleicht dabei helfen, diesen besonderen Verbindungen wieder Leben einzuhauchen.
Aber was ist Storytelling?
Kennen Sie das? Ihr Vorgesetzter erzählt Ihnen etwas über die neue Strategie. Sobald er fertig ist, haben Sie keine Ahnung mehr davon, was er gerade gesagt hat. Oder: Eine Freundin erzählt Ihnen von einem Date über Zoom, aber Ihre Gedanken wandern ab. Wie kann es sein, dass Sie gerne zuhören möchten und dennoch gedanklich abschweifen? Ganz einfach: Die Geschichte berührt Sie nicht emotional. Ein guter Storyteller berührt Sie mit konkreten und bedeutungsvollen Geschichten mit Wiedererkennungswert und schafft eine Beteiligung. Er verwendet Charaktere in seiner Geschichte, in die Sie sich einfühlen können, oder mit denen Sie sich verbunden fühlen.
Das Wort „telling“ (erzählen) in Storytelling ist eigentlich nicht weitreichend genug. Es geht auch ums Zuhören, Formen, Lernen und Teilen. Nur wenn ein Storyteller eine Geschichte auf die richtige Weise erzählt, können sich die Zuhörer darauf einlassen und er schafft es, alle zu mobilisieren. Ein wirklich guter Storyteller zu sein ist daher nicht nur gut, damit Sie die Verbindung zu Ihren Freunden stärken können. Es ist auch für Unternehmen von Vorteil. Wenn Sie eine Geschichte erzählen, die auf subtile Weise die Träume und Wünsche Ihrer Zielgruppe anspricht, können Sie die Menschen ermutigen, genau das zu tun, was Sie möchten – ohne explizit sagen zu müssen „Kaufen Sie dies“ oder „Tun Sie das“.
Was sind also die Geheimnisse des effektiven Storytellings?
Ich habe mit Mieke Bouma gesprochen, Autorin, Lehrerin und Inhaberin der Storytelling Academy und mit Maaike Kemmink, Content Managerin beim Storytelling Centre, um die Tipps und Tricks zu erfahren, die wir brauchen, um fesselnde Storyteller zu werden.
Anouk: Können Sie als professionelle Storytellerin beschreiben, was effektives Storytelling ist?
Mieke: Storytelling ist mehr als nur „Geschichten erzählen“. Es ist vielmehr ein Sammelbegriff für das Finden, Formen und Erzählen von Geschichten in sehr unterschiedlichen Kontexten. Das Ziel ist das Erschaffen von Verbindungen und Bedeutung, das Erstellen von Profilen und die Selbsterforschung. Storytelling findet man in vielen Bereichen: Bildung, Gesundheitswesen, Marketing, Kommunikation, Arbeit und persönliche Entwicklung.
Anouk: Spielt Körpersprache eine wichtige Rolle beim Erzählen einer guten Geschichte? Und warum?
Maaike: Ja, auf jeden Fall. Besonders wenn man vor einem Publikum spricht. Heutzutage kann man sich einen Podcast anhören oder eine gute Geschichte lesen. Es passiert allerdings mehr, wenn sich Erzähler und Zuhörer im selben Raum befinden. Dann gibt es Interaktion; die Menschen reagieren aufeinander, und Gefühle werden aufgrund von Körpersprache sichtbar.
Anouk: Was sind die 3 Hauptelemente beim Erzählen einer fesselnden Geschichte?
Mieke: Meiner Meinung nach ist beim Storytelling das Wichtigste:
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Die Geschichte sollte immer einen Anfang, einen Mittelteil und ein Ende haben. Und an einer Stelle einen Wendepunkt, an dem sich alles ändert.
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Die Vorstellungskraft muss geweckt werden durch Bilder, Gefühle und Charaktere.
- Es muss spannend bleiben. Überraschen Sie Ihre Zuhörer und sorgen Sie für unerwartete Wendungen.
Anouk: Gibt es Dinge, die man beim Storytelling auf keinen Fall tun sollte?
Maaike: Man darf sich nicht davor scheuen, verletzlich zu sein. Denn wenn wir nicht verletzt werden möchten, teilen wir nichts Persönliches und finden keine Verbindung zum Publikum. Und Ihre Geschichte sollte nicht nur über Sie selbst sein. Jede gute Geschichte hat mehrere Schichten: eine persönliche, eine emotionale und eine allgemeine Schicht. Gemeinsam stellen diese Schichten sicher, dass die Geschichte andere berührt und eine Botschaft übermittelt.
Anouk: Gibt es einen Unterschied zwischen „geschäftlichem“ Storytelling und Storytelling für Freunde und Familie?
Mieke: Das hängt ganz vom Ziel ab. Möchten Sie eine Verbindung herstellen? Etwas erklären? Möchten Sie Menschen begeistern? Möchten Sie inspirieren? Oder geht es darum, dass Sie eine wunderschöne Geschichte zu erzählen haben? Ich unterscheide immer zwischen intrinsischem Storytelling (einfach eine Geschichte erzählen, weil sie gut ist) und zweckgebundenem Storytelling: eine Geschichte erzählen, die einem externen Zweck dient, beispielsweise um etwas zu erklären und die Menschen zum Handeln zu bewegen.
Anouk: Wie interagiert man am besten mit dem Publikum?
Maaike: Es gibt praktische und kluge Übungen dafür, alle sind Teil der Share to Connect-Methode des Storytelling Centres. Diese Methode besteht aus einer praktischen Erklärung unterschiedlicher Techniken und Möglichkeiten, Storytelling anzuwenden. Ein Beispiel für eine Übung ist das Namensspiel. Bei dieser Übung werden drei Fragen verwendet:
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Wie haben Sie Ihren Namen erhalten?
- Sind Sie mit Ihrem Namen glücklich?
- Wenn Sie es wissen: Was ist die tiefere Bedeutung Ihres Namens?
Anouk: Wie kann man die Aufmerksamkeit des Publikums erlangen (und behalten!)?
Mieke: Beginnen Sie überraschend, wagen Sie es, sich persönlich und verletzlich zu zeigen, seien Sie konkret, beschreiben Sie Bilder. Und schließlich: Beteiligen Sie das Publikum!
Anouk: Was ist Ihr persönlicher Lieblingstipp für fesselndes Storytelling? Und warum?
Maaike: Das ist die Struktur einer Geschichte. In einer guten Geschichte (denken Sie an den Klassiker „König der Löwen“ oder den aktuelleren Film „Vaiana – Das Paradies hat einen Haken“) gibt es einen Helden oder eine Heldin, der oder die auf eine Reise geht. Auf seiner oder ihrer Reise trifft er oder sie auf einen Bösewicht, es gibt aber auch immer Helfer. Am Ende der Reise wird der Held oder die Heldin belohnt. Er oder sie wird durch die Reise verändert und erlangt Weisheit und spirituelle Macht. Das ist meiner Meinung nach ein perfekter Life-Hack, denn er ist allgemein gültig, hat einen Wiedererkennungswert und kann einfach angewendet werden.
Mieke: Entscheiden Sie sich für Geschichten, die Sie berühren oder faszinieren. Untersuchen Sie die Symbolik und die Bedeutungen der Geschichte.
Anouk: Wie können wir Storytelling üben, während wir von zu Hause aus arbeiten?
Mieke: Suchen Sie sich eine Erinnerung aus Ihrer Kindheit aus, beschreiben Sie sie detailliert und visualisieren Sie sie. Erzählen Sie, was die Erinnerung mit Ihnen macht und enden Sie so: Das erzähle ich, weil … (teilen Sie dann Ihre Einblicke oder welche Bedeutung die Geschichte für Sie hat).
Anouk: Haben gut erzählte Geschichten etwas gemeinsam?
Mieke: Wenn Sie genau hinsehen, sind sich alle Geschichten ziemlich ähnlich. Alte Mythen, Abenteuergeschichten, Märchen und persönliche Geschichten behandeln immer dasselbe Phänomen. Es gibt einen Protagonisten, der seinen sicheren Hafen verlassen und ein Abenteuer erleben muss, er muss Ängste bewältigen und schließlich reicher und weiser zurückkehren und die Welt mit den gesammelten Schätzen und Einblicken besser machen. Und so ist auch unser Leben. Wir werden ständig herausgefordert, unseren Horizont zu erweitern, etwas Neues zu erkunden. Und auf die Weise können wir der Welt etwas Wertvolles anbieten.